Dieter Dehm alias "Lerryn" zum Tod von "Oma Krauth":
Als ich meine Ballade von der „Oma Krug“ schrieb, waren mir solche Frauen vor Augen wie Lore Krauth. Oma Krug war fast zwei politische Generationen älter als Oma Krauth, aber beide haben diesen „Posthitleristen“ ins Auge geschaut, die so clever das Persilschein-Management im Adenauerstaat dealten.
Der Totschlagsrichter Filbinger betrieb seinen erneuten Aufstieg, so auch der NS-Propagandist Kiesinger, der Nazikommentator der Rassengesetze Globke wurde Staatssekretär. Und Hermann Josef Abs, der oberste Repräsentant der Deutschen Bank, die Ausschwitz kreditierte, Hitlers Aufstieg und seinen Weltkrieg finanzierte, wurde Kanzlerberater und Ehrenbürger Frankfurts.
Die sozialdemokratischen Großmütter und Großväter wussten in diesen, ihren damals dunklen Jahren noch nicht, dass bereits 1968 eine große antifaschistische Kulturbewegung entstand, Brüche mit dem schwarzbraunen Adenauerregime erzwang und schließlich bereits zwei Jahre später ihren größten Triumpf im Kniefall des Emigranten in die Pfütze vor dem Warschauer Mahnmal im Namen Deutschlands erleben durfte.
Zunächst waren die dunklen Fünfziger elend lang für unsre roten Vorfahren. Dass ich ein paar Lieder für die besseren Jahre, die mit Willy Brandt im connex stehen, beisteuern durfte, die Oma Krauth auch beim Bügeln gehört haben soll, macht mich schon ein wenig stolz.
Und noch etwas macht diese Frau für mich so verehrenswert: Sie war – sicherlich nicht per Zufall – in einer Organisation aktiv, in der Kommunisten und Sozialdemokraten selbstverständlich zusammenarbeiten. Und dies in einer Zeit, in der die Spaltung der Demokratie- und Arbeiterbewegung aus der Weimarer Republik neu aufflammte: im „Antikommunismus“-Beschluss des SPD-Parteirats, der SPD-Mitgliedern verbot, mit Kommunisten gegen Nazis und Atombewaffnung gemeinsam aufzurufen; neu aufflammte in den Berufsverboten, für die Willy Brandt immerhin später die Größe hatte, sich dafür als seinen politisch schwersten Fehler zu entschuldigen.
Der Antikommunismus, jene Grundtorheit der Epoche, wie ihn Thomas Mann nannte, feierte fröhliche Urständ – aber nicht innerhalb der Naturfreunde, für die sich Lore Krauth bewusst entschieden hatte. Welch ein Mut, dem Antikommunismus als Staatsdoktrin die Stirn zu bieten! Welch eine Kraft, im Adenauerstaat, unter dessen Spitzeln, Denunzianten und Lynchpropagierern die rote Fahne zu tragen. Welch eine Ausdauer, die großen historischen Interessen der sogenannten kleinen Leute nach Überwindung der Macht der Deutschen Bank, die ein unbesiegbares Aussehen angenommen hatte, immer wieder vorzutragen und sich dafür auch beschimpfen und klein machen zu lassen.
Mein Lied von der Oma Krug, zu dem Oma Krauth auch gebügelt hat, endet mit dem Refrain, „Oma Krug, Oma Krug, ist niemals tot genug, um nicht dabei zu sein, zumindest im Ortsverein“.
Dies schließt ein Misstrauen gegenüber einem ewigen Leben ein, es sei denn man oder frau macht sich selbst ein Weiterleben nach dem Tod. Das ist die Arbeit an der Menschenliebe, die, solange es kapitalistische Ausbeutung gibt, ein Kämpferherz braucht. Lores hat aufgehört zu schlagen. Aber solche wenig spektakulär besungenen Heldinnen stellen ihre Wirkung damit noch lange nicht ein.